Teresa von Avila
Die Seelenburg
Geistliche Entwicklung in sieben Schritten
Teresa von Avila gilt als größte Mystikerin aller Zeiten. Sie ist die erste Frau, die als Kirchenlehrerin anerkannt wurde. Der Theologe Dr. Hans-Joachim Tambour hat die „Seelenburg“ von Terese von Avila in einem Aufsatz dargestellt. Ein Überblick über ihr Leben und ihr wichtigstes Werk, der spirituellen Entwicklung in sieben Schritten:
https://www.freundschaftmitgott.de/teresa-von-avila/
Den vollständigen Wortlaut der „Seelenburg“ (oder auch „Inneren Burg“) kannst Du hier finden:
„Wir hören immer, wie gut das Gebet sei; und unsere Regel schreibt uns vor, ihm bestimmte Stunden zu widmen. Doch man erklärt uns nichts, was wir uns nicht selbst erklären können. Und von dem, was der Herr in einer Seele bewirkt – dem Übernatürlichen, das in ihr geschieht –, wird uns wenig gesagt. Würde dies in vielfältiger Weise uns dargelegt und erläutert, so schenkte man uns damit den großen Trost, dieses himmlische Kunstwerk in unserem Inneren betrachten zu können.“
Die erste Wohnung, 2. Kapitel
„Ich weiss nicht, ob ich es recht verständlich gemacht habe; denn es ist eine so wichtige Sache, dieses Erkennen unseres eigenen Ichs, dass ich wünschte, ihr möchtet niemals darin ermatten, so hoch ihr auch in den Himmeln emporgestiegen sein möget. Solange wir uns auf dieser Erde befinden, gibt es nichts, was für uns wichtiger wäre als die Demut.“
Die erste Wohnung, 2. Kapitel
„Lasst uns verstehen, dass die wahre Vollkommenheit die Liebe zu Gott und dem Nächsten ist und dass wir desto vollkommener werden, je vollkommener wir diese zwei Gebote halten. Unsere ganze Ordensregel und ihre Satzungen dienen nur als ein Mittel, damit wir diesen beiden Forderungen immer mehr und immer besser entsprechen.“
Die erste Wohnung, 2. Kapitel
„Glaubt es mir und fliegt zuweilen aus, um die Größe und Majestät eures Gottes zu betrachten."
„Man glaube mir, dass wir mit der Kraft Gottes eine sehr viel höhere Tugend erwirken, als wenn wir zäh an unserer Erde kleben.“
„Doch nach meiner Ansicht werden wir mit unserer Selbsterkenntnis nie zu Ende kommen, wenn wir nicht danach trachten, Gott zu erkennen. Im Anblick seiner Größe entdecken wir unsere Niedrigkeit, und angesichts seiner Reinheit sehen wir unseren Schmutz.“
„Diese gegenseitige Liebe ist so wichtig, dass ich wollte, ihr würdet sie niemals vergessen; denn wenn wir herumgehen und auf nichtige Kleinigkeiten blicken, die wir an anderen auszusetzen haben und die manchmal gar keine Mängel sind, sondern die wir vielleicht nur wegen unseres beschränkten Wissens als anstößig betrachten, so kann unsere Seele den Frieden verlieren und sogar die der anderen beunruhigen.“
Der Gedanke, wir würden in den Himmel kommen, ohne in uns zu gehen, ohne uns selber zu erkennen, unser Elend zu bedenken, unsere Schuld vor Gott, und ohne ihn vielmals um Erbarmen zu bitten, ist also töricht und widersinnig.
Teresa von Avila
Die Innere Burg, Die zweite Wohnung
Der Herr selber sagt: »Niemand kommt zum Vater denn durch mich« (so heisst es, glaube ich; doch ich weiss es nicht genau). Und ferner: »Wer mich sieht, der sieht meinen Vater.« Wenn wir ihn also nie anschauen, wenn wir nie den Tod betrachten, den er für uns erlitten hat, nie bedenken, was wir ihm schulden, so weiss ich nicht, auf welche Weise wir ihn erkennen und in seinem Dienste Werke vollbringen könnten. Denn bringt der Glaube keine Werke hervor und kommt zu diesen nicht der Wert der Verdienste Jesu Christi, unseres Herrn, hinzu — welchen Wert könnten sie haben und wer erweckte unsere Liebe zu diesem Herrn?
Teresa von Avila
Die Innere Burg, Die zweite Wohnung
Diese Liebe, Töchter, darf nicht das Werk unserer Einbildung sein, sondern sie muss durch Taten erwiesen werden. Denkt aber nicht, dass der Herr unserer Werke bedarf; er braucht die Entschlossenheit unseres Willens.
Teresa von Avila
Die Innere Burg, Die dritte Wohnung, 1. Kap
Uns, die wir ein geistliches Gewand tragen, das wir aus freien Stücken gewählt haben; die wir alle weltlichen Dinge und unsere Habe ihm zuliebe verlassen haben – uns mag es so vorkommen, als sei alles schon getan. Es ist eine recht gute Vorbereitung, wenn man standhaft darauf beharrt und sich nicht zurückwendet zu dem Gewürm in den ersten Gemächern, auch nicht mit begehrlichen Gedanken; denn wer sich aller irdischen Dinge entledigt hat und in völligem Verzicht beharrt, wird gewisslich das erreichen, wonach er strebt. Doch nur unter der Bedingung – merkt genau, was ich euch rate -, dass man sich als nutzlosen Knecht betrachtet und dass man nicht glaubt, man habe damit unseren Herrn verpflichtet, einem solche Gnaden zu erweisen, sondern vielmehr der Überzeugung ist, dass man als einer, der mehr empfangen hat, ihm um so größeren Dank schuldet.
Teresa von Avila
Die Innere Burg, Die dritte Wohnung, 1. Kap
Teresa von Avila
Die Innere Burg, Die dritte Wohnung, 1. Kap